Hund von Ninebot überfahren

Andere Elektrofahrzeuge, bzw. Fahrzeuge ohne Straßenzulassung // Beiträge die nichts mit dem Thema Segway zu tun haben.
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SegFenn
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Hund von Ninebot überfahren

Beitrag von SegFenn »

In meiner Nachbarschaft (Raum Berlin) hat sich ein Unfall mit einem Ninebot zugetragen, der sich auch anderswo so oder ähnlich wiederholen könnte. Interessant ist dabei die zivil- und strafrechtliche Bewertung, deren Details mir inzwischen vorliegen.

Zum Sachverhalt:

Ein Nachbar hat neu gebaut, dass Grundstück hat derzeit noch keinen Zaun. Er hat 3 Kinder, der Älteste (12 Jahre) fuhr mit dem nicht versicherten Ninebot auf dem Grundstück umher. Als ein Hund straßenseitig stehen blieb, fuhr der Junge mit dem Ninebot vom Grundstück in den Bereich Straße / Bürgersteig. Dabei fuhr der Junge dem umherspringenden Hund über eine Pfote, der Hund jaulte und verkroch sich zwischen den Beinen der inzwischen herbeigeeilten Hundehalterin.

Die Polizei wurde hinzugezogen, welche nach Schilderung der Sachlage erklärte, dass die Personalien gegenseitig auszutauschen sind, damit sich die Beteiligten zivilrechtlich einigen und die Angelegenheit klären könnten. Nach dieser Belehrung und Austausch der Personalien zog die Polizei wieder ab.

Die Hundehalterin ging unverzüglich zu einem Tierarzt, für die dortige Behandlung wurden 350,00 € fällig.

Nun wird es spannend:

Die Familie des 12-Jährigen Ninebotfahrers weigert sich diese Behandlungskosten zu zahlen, und das trotz Beamtenbezüge i.H.v. geschätzt 9.000,00 € / Monat. Interessanterweise wird nicht bestritten, dass der eigene Sohnemann über die Pfote des fremden Hundes gefahren ist. Die Hundehalterin ging daraufhin zu einem Anwalt, welcher die Erziehungsberechtigten zwischenzeitlich rechtskräftig in Verzug gesetzt hat. Da die Zahlung der Tierarztrechnung trotzt eingeleitetem gerichtlichen Mahnverfahren weiter nicht erfolgt ist, denkt die Hundehalterin nun über eine Klageerhebung vor dem zuständigen Amtsgericht nach.
Ihr Anwalt hat auch schon das Prozesskostenrisiko kommuniziert, für den Fall das die Hundehalterin vor Gericht wider Erwarten unterliegt: 530,00 € - bei einem Streitwert bzw. gefordertem Betrag von 350,00 €.

Es wird aber noch besser:

Die verärgerte Hundehalterin hat einige Wochen nach dem Vorfall auf dem Polizeiabschnitt Strafanzeige gegen den beim Unfall anwesenden Kindesvater gestellt, wegen Sachbeschädigung bzw. Tierquälerei durch Unterlassen sowie Prüfung auf strafbare Relevanz in bezug auf das Fahren ohne Versicherungsschutz in der Öffentlichkeit mit Unfallfolge (eine polizeiliche Vorgangsnummer lag durch den Polizeieinsatz vor). Dabei stellte die Hundehalterin darauf ab, dass der Kindesvater seine Aufsichtspflicht vernachlässigt hat, wodurch es erst ermöglicht wurde, dass der Sohn mit einem Elektrofahrzeug ohne Versicherungsschutz in der Öffentlichkeit herumfahren konnte, wodurch es zu dem Unfall gekommen ist und ein Tier unnötige Qualen ausgesetzt wurde.

Die Ermittlungen und das Strafverfahren gg. den Kindesvater wurden innert 4 Wochen eingestellt.
Die zuständige Amtsanwältin erklärte dazu im Begleitschreiben der völlig fassungslosen Hundehalterin:

1.) Das der Beschuldigte bislang unbescholten und dies der erste Vorfall dieser Art ist.
2.) Das der Unfallfahrer mit 12 Jahren strafrechtlich nicht belangt werden kann.
3.) Das keine Straftat vorliegt sondern allenfalls ein Vergehen.
4.) Das das Verfahren nach dem Opportunitätsprinzip eingestellt wurde.
5.) Das der Kindesvater schlüssig erklärte, dass er den Sohn durchgehend beaufsichtigt hatte, aber zwischenzeitlich auf die Toilette musste. Dieser Toilettengang - bei welchem sich der Unfall ereignete - kann nach allgemeinem Verständnis nicht als Vernachlässigung der Aufsichtspflicht angesehen werden.

Die Amtsanwältin schloss das Schreiben mit dem hilfreichen Zusatz, dass die berechtigten Ansprüche nach dem Zivilrecht eingefordert werden können...

Wenn ich dann sowas hier lese:
spiagei hat geschrieben:Fährst du mit dem Ding ausserhalb deines eigenen befriedeten umzäunten, für keinen zugänglichen Bereich begehst du eine Straftat.
1 Fahren ohne Versicherungsschutz (gibt es nicht)
2 Fahren ohne Betriebserlaubnis und TÜV.

= Hohe Strafe und möglicher Führerscheinentzug.
+ Wenn du damit einen Schaden an Personen oder Dingen verursachst, haftest du nach 823 BGB mit deinem KOMPLETTEN Besitz für bis zu 30 Jahre!
Das liest sich alles ja ganz toll - allein die Realität sieht in Deutschland völlig anders aus!
Selbst in das Vermögen von Millionären zu vollstrecken, ist nach den Schilderungen der von einem Ninebot geschädigten Hundehalterin (und ihrem Anwalt) schwierig bis aussichtslos - der / die Geschädigte bleibt auf den Kosten sitzen...

Bei einem Personenschaden sieht es möglicherweise wieder anders aus. Ist der Fahrer jedoch minderjährig, wird es auch hier keine strafrechtliche Verfolgung geben - die Anwälte freuen sich schon... :dance1:
Bergkamen
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Beitrag von Bergkamen »

SegFenn hat geschrieben:2.) Das der Unfallfahrer mit 12 Jahren strafrechtlich nicht belangt werden kann.


Die Amtsanwältin schloss das Schreiben mit dem hilfreichen Zusatz, dass die berechtigten Ansprüche nach dem Zivilrecht eingefordert werden können...
Strafrechtlich unter 14 Jahren ist nun mal in Deutschland nicht.
Zivilrechtlich den Schaden ersetzt zu bekommen sollte aber klappen. Sofern Papa endlich einsieht das er die Aufsichtspflicht verletzt hat.
SegFenn
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Beitrag von SegFenn »

Ja, so sind die Gesetze nunmal. Allerdings relativiert sich dann bei Minderjährigen auch der Straftatbestand "Fahren ohne Versicherungsschutz", der faktisch einfach nicht angewendet wird (Prozesshindernis).

Auch zivilrechtlich könnte es in dem oben vorliegenden Fall vor Gericht noch sehr problematisch werden, denn der Kindesvater hat als Beklagter im Zivilverfahren gute Karten: Ein Strafverfahren gg. ihn wurde eingestellt und er hat von der Berliner Amtsanwaltschaft schriftlich, dass er seine Aussichtspflicht NICHT vernachlässigt hat. Zudem könnte der Beklagte noch angeben, dass die Hundehalterin den Hund unangeleint (bei fehlender Abrufbereitschaft sogar unkontrolliert) im Straßenbereich geführt und somit eine Mitschuld hat...!

Wichtig ist vielleicht noch der (bislang unerwähnte) Umstand, dass der Sohnemann in der Vergangenheit mit dem Ninebot öfters - also gewohnheitsmäßig - OHNE Versicherungsschutz über Straßen und Bürgersteige gebrettert ist. Dies wurde von der Anzeigenstellerin bei der Strafanzeige auch benannt, dennoch blieb dieser Umstand offenbar unberücksichtigt.

In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren, wie wohl ein Zivilgericht entscheidet, wenn man im obigen Fall bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Kindesvater beantragen würde, mit dem Tenor, dass es Herr XY bei Vermeidung einer Geldstrafe von 250.000,00 € zukünftig zu unterlassen hat, minderjährige Familienangehörige mit Elektrofahrzeugen ohne Versicherungsschutz in der Öffentlichkeit fahren zu lassen.
Als Antragstellerin hätte obige Hundehalterin sogar ein Bedürfnis, da sie als Geschädigte einen Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz hat (Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 935 ff).

Würde diesem Unterlassungs-Antrag NICHT stattgegeben, dann würde das Gericht bzw. der Richter billigend in Kauf nehmen, dass Minderjährige mit Fahrzeugen ohne Versicherungsschutz durch die Gegend brettern und bei einem Unfall damit Dritten nicht unerhebliche Verletzungen zufügen könnten... Mehr noch: Der Kindesvater könnte jetzt sogar noch behaupten, dass er DAS DARF!

Wäre interessant zu erfahren wie Mitarbeiter von Justitia darüber denken. Gibt es welche im Forum?
Hexe
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Beitrag von Hexe »

Tja, Kinder unter 14 Jahren sind in D immer fein raus. Leider. Geld ist nur bei den Eltern zu holen, wenn Du nachweisen kannst das diese ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Das ist leider nahezu unmöglich. Ich habe da auch schon vor vielen Jahren meine sehr negativen Erfahrungen sammeln dürfen. Am Ende hatte ich als Geschädigter noch eine Anzeige an der Backe.
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spiagei
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Beitrag von spiagei »

Segfenn du übersiehst dabei leider eines. Warum in genau diesem Fall nichts zu holen ist.

Der Sohn ist unter 14 =Straffrei
Vater hat bei einem 12 jährigen Aufsichtspflicht nicht verletzt = Straffrei.
Soweit richtig. Nichts zu machen. Genau aus diesem Grund zahlt die Privathaftpflicht nicht, wenn der kleine Nachbarsjunge dein Auto zerkratzt.
Wäre nun aber der Vater gefahren oder der Sohn bereits 14 sähe das Ergebnis ganz anders aus. Dann würde der 823 BGB voll greifen und derjenige wäre Schadensersatzpflichtig und strafbar.

Also bitte aus diesem Fall keine Erlaubnis zum rumfahren mit unversicherten, nicht zugelassenen Fahrzeugen ableiten.

lg Spiagei
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